Rekonstruktion eines Keltischen Gehöfts, Hochdorf/Enz

Hallenhaus

Historische Hintergründe

Im Gegensatz zu der mediterranen Bautradition, hier hatten sich in Laufe der Architekturentwicklung für dem Hausbau beständige Baumaterialien wie Natursteine oder gebrannte Ziegel bewährt und durchgesetzt, war die nordeuropäische Bauweise hauptsächlich durch die natürlichen Baustoffe Holz und Lehm bestimmt. Dies hatte zur Folge, dass von den damals errichteten Gebäuden keine oberirdischen Zeugnisse auf uns gekommen sind, da die Baumaterialein im Laufe der Zeit dem natürlichen Verfall unterworfen waren. Ebenso hatten kriegerische oder andere Zerstörungen, wie Brände, ihren Teil dazu beigetragen.

Bereits während der jüngeren Steinzeit begann für den Hausbau in Nord- und Mitteleuropa eine lange Tradition, die sich mit differenzierten Formen, Bauweisen, Konstruktionen und Verwendungen entfaltete. Diese Erkenntnisse und Einsichten wurden in den letzten Jahrzehnten durch intensive archäologische Feldforschungen gewonnen. So ließen sich Hausgrundrisse anhand von Bodenverfärbungen wiedergewinnen. In den gewachsenen Boden eingerammte oder eingegrabene Pfosten bzw. Stützen aus Holz waren selbst nach Jahrhunderten noch als dunkle Verfärbungen erkennbar, auch wenn das ursprüngliche Material längst vergangen war. Ebenso ließen archäologische Befunde auch Rückschlüsse auf bestimmte Funktionen innerhalb der Hausgrundrisse zu, wie Feuerstellen im Wohnbereich, Vorratsgruben, Stallungen, Werkstätten usw.. Selbst antike Nachrichten über verwendete Baumaterialien konnten nachgewiesen werden, wie die Gestaltung der Häuserwände und die Dacheindeckungen.

Das dreischiffige Hallenhaus

Rekonstruktion eines dreischiffigen Hallenhauses
in Einswarden bei Wilhelmshaven

Möglicherweise bereits vor der vorrömischen Eisenzeit wurde in Mittel- und Nordeuropa die Hausform des dreischiffigen Hallenhauses gebräuchlich. Charakteristisch für das dreischiffige Hallenhaus war der Grundriss, die Hausfläche wurde durch zwei Pfostenreihen in drei Längszonen oder Schiffe geteilt. Damit wurde eine freie unverstellte Hausmitte im Wohnbereich geschaffen, im Stallbereich konnte das Großvieh in den Seitenschiffen untergestellt werden und von einem Mittelgang aus versorgt werden.

Die Häuser hatten eine Breite von 4,5 bis 7,5 m und eine Länge von 10 bis 20 m, in Ausnahmefällen bis zu 30 m. Die Wände bestanden aus Flechtwerk mit Lehmbewurf und konnten farbig gestaltet sein.

... Nicht einmal Bruch- oder Backsteine sind bei ihnen im Gebrauch; sie verwenden zu allem, ohne auf einen schönen oder gefälligen Anblick Wert zu legen, roh behauenes Bauholz. Manche Stellen (an der Außenfront ihrer Häuser) überstreichen sie freilich mit einer gewissen Sorgfalt mit einer so weißglänzenden Erdmasse, dass sie den Eindruck von Bemalung und farbiger Linienführung erweckt. ...
Tac. Germ. 16

... Alte Städte kanntest du nicht, und hässlich warst du anzusehen mit den Hütten aus Weidengeflecht und den Dächern aus Gras. ...
Symm. or. 2,14

... An Bruchstein und Ziegeln ist nämlich bei ihnen Mangel, aber sie haben mächtige Wälder und daher gewaltige Holzvorräte. Daraus zimmern sie sich Hütten zusammen (skenopoiountai). ...
Herodian. 7,2,3


In den wenigen Fällen waren es reine Stall- oder Wohngebäude sondern meistens sogenannte Wohnstallhäuser. Der Wohnteil war in der Regel vom Stall durch eine Flechtwand abgeteilt, in ihm befand sich ein Herd oder eine offene Feuerstelle. Der Rauch wurde durch eine Öffnung unterhalb des Firstes im Giebel abgeleitet. Zwischen dem Wohnteil und den Stallungen war auf einer, meistens aber auf beiden Seiten ein Eingang, bei größeren Gebäuden befand sich noch ein dritter Eingang auf der Giebelseite des Stallteils.


Grundriss eines dreischiffigen Hallenhauses/ Feddersen Wierde

 

Der Fußboden im Wohnbereich und der Durchgangsbereich im Stall bestand aus Lehm. Die Konstruktion bzw. die Form des Daches, Walm- oder Satteldach, war von baulichen Kenntnissen und Erfahrungen sowie Bedürfnissen abhängig. Ein Dach mit schwerer Eindeckung wie Soden, bzw. Heidplaggen, und mit flacher Dachneigung hatte eine Firstpfette (Firstbaum). Häuser mit steilem Dachneigungswinkel, die mit leichten Materialien eingedeckt waren (Stroh, Binsen oder Reet), besaßen ein Sparrendach. Die Sparren lagen entweder auf dem Windrähm oder direkt auf der Außenwand, seitliche Pfosten konnten den Druck abfangen.

... Mit einem Dach daraus (Schilf) decken die nördlichen Völker ihre Häuser, und solche Dächer halten Jahrhunderte lang. ...
Plin.nat. 16,3.156

Gegen den Regen schützen sie sich mit Stroh- oder Laub(dächern) ...
Sen. prov. 4,14f.

… Niemand verheerte die mit wertlosem Rohr gedeckten Hütten mit mörderischem Feuer, …
Symm. or 2,10


Einrichtung des Hauses

Von dem beweglichen Inventar des Hauses hat sich so gut wie nichts erhalten, auch nicht die von Tacitus erwähnten „seperatae singulis sedes et sua quique mensa“,

... Nach dem Waschen nehmen sie ihr Frühstück ein; jeder hat dabei einen besonderen Platz und seinen eigenen Tisch. ...
Tac. Germ. 22

ob vereinzelt in bronzezeitlichen Gräbern gefundene Reste von Klappstühlen in diesem Falle aussagekräftig sind, ist stark anzuzweifeln. In den oft großräumigen Wohnteilen dreischiffiger Hallenhäuser wäre eine derartige Möblierung durchaus denkbar, jedoch nicht in den überwiegend kleineren Gebäuden. Besonders in Nordeuropa konnten in Häusern Bänke an den Giebel- und Längsseiten im Wohnteil nachgewiesen werden, sie dienten wahrscheinlich auch als Bettstellen. Im Wohnteil befand sich eine Feuerstelle, in seltenen Fällen sind auch mehrere vorhanden gewesen. Diese konnten sowohl offen oder mit einer Kuppel aus Lehm und Flechtwerk überdeckt sein und dienten der Nahrungszubereitung. Ferner gab es eingetiefte Gruben, in denen nachweislich gewebt wurde

... In Germanien ... verrichten sie (die Frauen) diese Tätigkeit (das Weben) in Gruben und unter der Erde. ...
Plin.nat. 19,9

oder die als Vorratslager dienten. In größeren in den Boden eingegrabenen Tongefäßen waren ebenfalls Nahrungsmittel eingelagert. Sorgfältig mit Steinen ausgekleidete und mit langen Zugängen versehene Keller konnten sowohl als Vorratslager als auch als Zufluchtsorte gedient haben.

... Sie sind auch gewohnt, unterirdische Höhlen auszuheben, über die sie eine starke Dungschicht legen: das ist dann eine Zufluchtstätte für den Winter und ein Getreidespeicher; denn solche Anlagen mildern die starre Winterkälte, und wenn der Feind einmal ins Land eindringt, dann verwüstet er das frei Daliegende, während er von dem Versteckten und Vergrabenen entweder nichts weiß oder es gerade darum übersieht, weil er es erst suchen muß.
Tac. Germ. 16

Foto:
Hochdorf/Enz v. Verfasser, März 2005
Abbildungen:
Rafael von Uslar, Germanische Sachkultur in den ersten Jahrhunderten nach Christus, 1975, S. 58f. Abb. 18 u. 19
Übersetzungen :
Arno Mauersberger, Tacitus Germania, o.J.
Schriften und Quellen der Alten Welt, Bd. 37,1. Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u.Z., hrsg. v. Joachim Herrmann, 1988, Nr. 42 (C. Plinius Secundus)
Schriften und Quellen der Alten Welt, Bd. 37,1. Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u.Z., hrsg. v. Joachim Herrmann, 1988, Nr. 38 (Lucius Annaeus Seneca)
Schriften und Quellen der Alten Welt, Bd. 37,3. Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u.Z., hrsg. v. Joachim Herrmann, 1991, Nr. 71 (Herodianos)
Schriften und Quellen der Alten Welt, Bd. 37,4. Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas bis zur Mitte des 1. Jahrtausends u.Z., hrsg. v. Joachim Herrmann, 1992, Nr.100 (Q. Aurelius Symmachus)

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